102. Ländervertreterversammlung in Dresden
23. April 2018Sitzung des ständigen Rates der UIHJ in Paris
11. Januar 2019Am 18.5.2018 fand im Rahmen des BDIU-Kongresses in Berlin eine Podiumsdiskussion unter dem provokanten Titel „Elektronischer Rechtsverkehr – der BER der Justiz“ statt. Auf dem Podium konnte ich eine spannende Diskussion mit Herrn Wasser (Referatsleiter Zwangsvollstreckung im BMJV), Herrn Brückner (Mitglied im BDIU-Ausschuss für Gerichtsvollzieherwesen) und dem Publikum führen. Moderiert wurde die Diskussion vom Leiter des GV-Ausschusses des BDIU Herrn Bieber.
Zur Einstimmung auf die Diskussion hielt Herr Brückner einen Vortrag zum aktuellen Stand des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV). Anschließend wurde unter den Diskutanten und dem Publikum zum Teil kontrovers darüber diskutiert, wo wir aktuell stehen, wo wir hinwollen und wie wir gemeinsam ans Ziel kommen.
Nach zum Teil visionären Einstiegsfragen: wie „Wann werden wir die Zwangsvollstreckung vom Smartphone aus beauftragen können?“ oder „Haben Sie Ihren Drucker bereits abgeschafft, Herr Graetz?“, schwappte die Diskussion schnell zu praktischen Fragen: „Warum nutzen die Inkassounternehmen bislang sehr wenig die bereits vorhandenen? Möglichkeiten, Zwangsvollstreckungsaufträge elektronisch zu erteilen?“ „Gibt es einen Preisnachlass auf elektronisch eingereichte Vollstreckungsaufträge?“
Ich konnte aus meiner Sicht schildern, dass der ERV beim Gerichtsvollzieher, trotz praktischer Probleme (Kinderkrankheiten jeder Reform) und zum Teil mangelnder bzw. sehr später Unterstützung durch die Landesjustizverwaltungen, erfolgreich angelaufen ist. Dies liegt sicherlich auch an den geringen Eingangszahlen elektronischer Aufträge. Für uns hat das den Vorteil, dass wir Probleme frühzeitig erkennen und abstellen, aber auch die notwendige Sensibilität für z.B. Fragen der Druckkosten bei der Justizadministration schaffen können. Deutlich wurde außerdem, dass der ERV ohne E-Akte eher suboptimal ist. Mittlerweile wurde das auch von der Justiz erkannt, sodass massiv an der Einführung der E-Akte gearbeitet wird. Auf diesen Zug sollten wir aufspringen, weil nur das Arbeiten mit möglichst wenigen Medienbrüchen zu einer echten Entlastung der GV-Büros führen kann. Das zusätzliche Führen von Papierakten ist ein Relikt der Vergangenheit und nicht mehr zukunftsfähig, zumal die GV-Softwareprogramme schon heute viele E-Akten-Funktionalitäten anbieten, die von uns auch schon intensiv genutzt werden. Ich habe allerdings auch um Verständnis dafür gebeten, dass der gesamte Umstellungsprozess für jedes GV-Büro eine enorme Herausforderung darstellt, unter der die Qualität und Quantität der Arbeit nicht leiden sollte, aber teilweise wohl notgedrungen leiden wird. Die Kommunikation mit den Gläubigern und der Justizadministration muss sich erst neu einspielen. Dabei sind sicherlich noch einige Hürden zu meistern.
Gerade im Bereich der professionellen Gläubigervertreter (Anwälte, Inkasso) wird der Umstellungsprozess auf den ERV nicht so positiv bewertet. Der Ausfall des besonderen Anwaltspostfaches (beA), der Wegfall der Containersignatur und der fehlende sichere Übermittlungsweg (außer DE-Mail) für Inkassounternehmen sorgen für erhebliche Probleme. Dadurch ist die breite Akzeptanz für den ERV noch nicht vorhanden. Außerdem führen bestehende Unsicherheiten (Wer trägt die Druckkosten? Was ist wie zu signieren?) dazu, dass die Prozesse der Auftragserteilung noch nicht umgestellt wurden. Hier wurde deutlich gemacht, dass mit der erwarteten Auftragsflut vorerst nicht zu rechnen ist. Der Anstieg der elektronisch eingereichten Aufträge wird wohl erst allmählich erfolgen, was uns die Zeit gibt, auch unsere Prozesse langsam anzupassen.
Es wurde ebenfalls wieder deutlich, dass es ohne eine Zusammenarbeit aller am ERV Beteiligten kaum möglich sein wird, vorhandenen Probleme zu lösen und die elektronische Kommunikation voranzubringen.
Von einigen Fragestellern wurde auch wieder das Thema Erreichbarkeit der Gerichtsvollzieher thematisiert. Hier bietet aus meiner Sicht der ERV mehrere Lösungsmöglichkeiten, weil es den Gläubigervertretern selten darum geht, mit dem GV persönlich zu sprechen. Vielmehr geht es meistens darum, den aktuellen Sachstand zu erfahren, wobei häufig Monate nach Auftragserteilung noch nicht bekannt ist, ob der Auftrag eingegangen ist und wer ihn bearbeitet. Auch hierbei müssen wir aus meiner Sicht unsere Hausaufgaben machen. Die neuen Kommunikationswege und eine für diese Bedürfnisse angepasste GV-Software können sicherlich einiges leisten, ohne dass dadurch eine Mehrbelastung entsteht.
Zum Schluss wurde die Einführung eines Titelregisters diskutiert. DGVB und BDIU ziehen sicherlich aus zum Teil unterschiedlichen Gründen an einem Strang. Die Abkehr von der Verpflichtung der Übersendung des Vollstreckungsbescheides (§754a ZPO) stellt erstmal einen Paradigmenwechsel dar. Der eine oder andere fremdelt vielleicht noch mit der Neuregelung, weil der Argwohn auch Teil der Gerichtsvollzieher-DNA ist. Durch den Verzicht auf die Übersendung des Titels im Original wird der Weg zur elektronischen Auftragserteilung allerdings erheblich vereinfacht und soll so zu mehr Akzeptanz bei den Beteiligten führen. Im Zuge der Einführung der E-Akte innerhalb der Justiz wird aus unserer Sicht aber der Einstieg in ein Titelregister möglich sein. in dem Titel abgeschrieben werden können. Dies führt nicht nur zu mehr Sicherheit beim GV, sondern auch zum Schutz des Schuldners vor unberechtigtem staatlichen Handeln.
Martin Graetz