Treffen mit Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e.V
10. März 2020Bundesvorstand beim Justizministerium Rheinland-Pfalz
18. Oktober 2020Der Bundesvorstand hat auf die immer häufiger an ihn herangetragenen Fragen zum konkreten Umgang mit der derzeitigen Durchführung der Zwangsvollstreckung beschlossen, den Kolleginnen und Kollegen, insbesondere für Räumungsverfahren, eine weitergehende Handreichung zur Verfügung zu stellen.
Auch wir werden nahezu täglich von den Entwicklungen überrollt. Für grundlegende Fragen der Zwangsvollstreckung wurden in einigen Bundesländern verbindliche Aussagen der Landesjustizverwaltungen getroffen, die für eine gewisse Sicherheit bei der Rechtsanwendung in dieser Ausnahmesituation sorgen. Allerdings fehlen in einigen Bundesländern immer noch konkrete Vorgaben zum Eigenschutz und zum Schutz der durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen betroffenen Verfahrensbeteiligten. Hier haben einzelne Landesverbände des DGVB dieses Informationsdefizit durch eigene Handlungsleitfäden ausgeglichen. Diese sehr umfassenden Handlungsleitfäden sind für die Gerichtsvollzieherinnen bundesweit ein guter Maßstab bei der Rechtsanwendung in der gegenwärtigen Situation. Da momentan in den Landesjustizministerien davon ausgegangen wird, dass bestimmte unaufschiebbare Vollstreckungsmaßnahmen (Räumungen, Gewaltschutzsachen und die Vollstreckung einstweiliger Anordnungen) weiterhin durchgeführt werden sollen, besteht hier aus unserer Sicht weiterer Aufklärungsbedarf. Insbesondere bei Räumungsverfahren ist weitere Unsicherheit über das Vorgehen im konkreten Einzelfall vorhanden. Bisher gibt es keine offiziellen Aussagen zum Verzicht auf Zwangsräumungen in Form von Handlungsanweisungen durch die Landesjustizverwaltungen. Daher muss jede Gerichtsvollzieherin und jeder Gerichtsvollzieher die Entscheidung, ob terminierte Räumungen durchführt und ob eingegangene Räumungsaufträge terminiert werden, eigenverantwortlich treffen. Die Entscheidung, ob eine Räumung durchgeführt wird, muss von jedem Einzelnen eigenverantwortlich und gegebenenfalls gemäß den Handlungsempfehlungen der jeweiligen Landesjustizverwaltung getroffen werden. Unsere Aufgabe ist es, Entscheidungen zu treffen, die rechtlich vertretbar und im Einzelfall nachvollziehbar sind. Die Vollstreckungsparteien haben nach wie vor jederzeit die Möglichkeit, die getroffenen Entscheidungen im Rechtsmittelweg überprüfen zu lassen. Das heißt, die Gerichtsvollzieherinnen prüfen in jedem Einzelfall, ob gewährleistet ist, dass dem Schuldner die staatlichen Hilfsangebote uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Sollte dem nicht so sein, wäre hier ein Grund gegeben, der eine Aufschiebung der Zwangsvollstreckung rechtfertigt.
In diesen Fällen sollte die Entscheidung zeitnah getroffen und dem Gläubiger mitgeteilt werden, da dieser die Möglichkeit hat, Rechtsmittel gegen die Entscheidung einzulegen. Das Gericht würde dann über die Rechtmäßigkeit der Aufschiebung durch den Gerichtsvollzieher entscheiden.
Allerdings kann die Einzelfallbeurteilung auch ergeben, dass das Schutzbedürfnis des Gläubigers höher einzuordnen ist als die Schutzinteressen des Schuldners. So gibt es z.B. Räumungsverfahren, wo bekannt ist, dass der Räumungsschuldner sich nicht mehr in der zu räumenden Wohnung aufhält, oder der Gläubiger dringend auf den Wohnraum zur Selbstnutzung angewiesen ist. Hier könnte man nach Prüfung des Einzelfalls zu der Entscheidung kommen, die Räumung durchzuführen.
Bei der Durchführung der Räumung sind dann die bundesweiten Maßnahmen, die gegen die Ausbreitung des Corona-Virus beschlossen wurden einzuhalten.
Insbesondere:
In der Öffentlichkeit Abstand halten. Am besten 1,5 Meter zur nächsten Person, besser noch 2 Meter. Jede Gerichtsvollzieherin und jeder Gerichtsvollzieher prüft in oberster Priorität die Möglichkeiten des vollumfänglichen Eigenschutzes, sowie die gesellschaftliche Verantwortung gegen die Ausbreitung des Corona-Virus gegenüber Dritten.
Wenn dieser Eigenschutz und der Schutz Dritter (Kontaktverbot) aus verschiedenen Gründen nicht gewährleistet werden kann, kann aus unserer Sicht eine Vollstreckungsmaßnahme nicht stattfinden.
Sollte es bei der Durchführung einer Räumung zu Erkenntnissen kommen, die auf eine unbillige Härte für den Schuldner hinweisen (z.B. häusliche Quarantäne, Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe), so besteht für den Gerichtsvollzieher an Ort und Stelle die Möglichkeit der Aufschiebung der Räumung gemäß § 765a Abs. 2 ZPO. Der Schuldner erhält dann die Möglichkeit, den benötigten Rechtschutz beim Vollstreckungsgericht zu beantragen. Eine entsprechende Entscheidung des Rechtpflegers würde dann über den weiteren Verlauf des Räumungsverfahrens bestimmen.
Der Bundesvorstand des DGVB
Stand 26.3.2020