Unterstützung der Ukraine
11. März 2022Stellungnahme zur Ausbildung der Thüringer Gerichtsvollzieher
9. Juli 2022Am Montag, 9. Mai 2022, fand in der Landesvertretung Baden-Württembergs auf Einladung der Landesverbände des DGVB aus Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ein Parlamentarischer Abend zu Fragen der Ausbildung und des Studiums für Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher statt. In den meisten Bundesländern werden diese im Rahmen justizinterner Lehrgänge ausgebildet. Einzig das Land Baden-Württemberg ist bereits den Weg zu einer Akademisierung der Ausbildung und der Einführung eines Bachelor-Studiengangs für Gerichtsvollzieherwesen gegangen.
Zu einem Diskussionsabend unter dem Motto „Gerichtsvollzieher LL.B. – Jetzt!“ waren Abgeordnete der Landesparlamente und Persönlichkeiten der Justiz eingeladen, um über die gestiegenen Anforderungen an den Beruf des Gerichtsvollziehers, den dramatischen Bewerbermangel und die Möglichkeiten einer Umstellung der Ausbildung auf ein Hochschulstudium zu diskutieren. An der hochkarätig besetzten Veranstaltung nahmen unter anderem die berliner Justizsenatorin, Frau Prof. Dr. Kreck, der Staatssekretär des Justizministeriums Sachsen-Anhalt Dr. Eckhold, die Leiterin der Zukunftskonferenz Justiz Brandenburg Frau Dr. Grundmann, und weitere Gäste aus Politik und Justiz teil.
In ihren Eingangsstatements wurden durch Matthias Boek (LV Berlin), Daniela Merke (LV Sachsen-Anhalt) und Karlheinz Brunner die Verantwortung des Gerichtsvollziehers für einen funktionierenden Rechtsstaat, der Komplexitätszuwachs der Gerichtsvollziehertätigkeit und Probleme bei der Gewinnung geeigneten Nachwuchses beleuchtet und so in das Thema eingeführt.
Bei der anschließenden durch Stefan Mroß moderierten Podiumsdiskussion wurde die Sicht auf die Probleme vertieft und Fragen zu einem möglichen „Gerichtsvollzieher-Studium“ beantwortet. Frank Haarer (Rektor Hochschule Schwetzingen) konnte über die Erfahrungen mit dem seit 2016 eingeführten Studiengang in Baden-Württemberg berichten und widersprach, dass das Modell zu nennenswerten Kostensteigerungen für das Land führte. Prof. Dr. Nikolaj Fischer (Goethe-Universität Frankfurt/Main) bekräftigte die Notwendigkeit des Studiums aus rechtswissenschaftlicher Sicht. Prof. Ulrich Keller (Dekan des Fachbereichs Rechtspflege der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin) berichtete, dass eine von seinem Haus durchgeführte Machbarkeitsstudie zur Einführung eines Gerichtsvollzieher-Studiengangs gezeigt hat, dass eine Umstellung der Ausbildung möglich ist. Zudem könnten Synergien mit dem an der Hochschule durchgeführten Studium der Rechtspfleger und der Polizei genutzt werden. Prof. Dr. Sabrina Schönrock (Prof. im Fachbereich Polizei der HWR) bekräftigte, dass für den Gerichtsvollzieher notwendige Schlüsselkompetenzen wie psychologische Gesprächsführung, interkulturelle Kompetenzen und Gesprächsführung seit Jahren erfolgreich in der Polizeiausbildung vermittelt werden. Der gesellschaftliche Wandel macht es aus ihrer Sicht nötig Recht nicht nur durchsetzen, sondern auch erklären zu können. Der Zwang sollte immer am Ende möglicher Maßnahmen stehen. Gerichtsvollzieher sind nicht lediglich Vollstrecker im Auftrag der Gläubiger, sie müssen auch die Rechte der Schuldnerinnen und Schuldner berücksichtigen und im Interesse beider Beteiligter einen sachgerechten Ausgleich finden Sie sind heute mehr Forderungs-Manager als reine Vollstreckungsbeamte. Hinzu kommen soziale Komponenten ihrer Tätigkeit, etwa bei der Durchführung von Zwangsräumungen. Diese vielfältigen Aufgaben brauchen eine zeitgemäße Ausbildung im Rahmen eines juristischen Studiums, das Theorie und Praxis miteinander verbindet. Am Fachbereich Rechtspflege der HWR werden seit vielen Jahrzehnten bereits die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger der Länder Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt ausgebildet. Am Fachbereich Polizei wird unter anderem der gehobene Polizeivollzugsdienst des Landes Berlin ausgebildet. Der Studiengang Gerichtsvollzieherwesen wäre damit bei der HWR Berlin bestens angesiedelt.
Schließlich wurden auch Fragen aus dem Auditorium beantwortet. Nach der Podiumsdiskussion konnten die Themen in persönlichen Gesprächen vertieft werden.
Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass von fast allen Teilnehmern anerkannt wurde, dass die Einführung eines Bachelor-Studiengangs Gerichtsvollzieherwesen und die Eingruppierung der Gerichtsvollzieher und Gerichtsvollzieherinnen in den gehobenen Justizdienst überfällig ist.